Deutsch chinesisch oder chinesisch deutsch?

typisch deutsch chinesisch

Das ist typisch deutsch! Das ist typisch chinesisch! Was sagt man zu einer Frau, die sowohl chinesisch, als auch deutsch ist? Ist sie deutsch chinesisch? Was ist, wenn man sich sowohl deutsch, als auch chinesisch fühlt? Ist es denn so, dass wir ein ganzes Leben so einen Stempel mit uns herum schleppen müssen? Darf ich Dich fragen, was ich für Dich bin?

Vor ein paar Tagen lernten wir zwei junge Frauen kennen, eine aus Dänemark und eine aus dem Umland von München. Da Dominik auch aus Münchner Umland herkommt, ging das Gespräch gleich los: Ist München besser oder Berlin?

Da geht die philosophische Frage wieder los: Muss eine Stadt immer besser sein, als eine andere? Für mich eindeutig ja. Berlin ist besser als München! – Sorry, das ist mein nerdy-joke / insider joke. Er stammt vonHow I Met Your mother (“Kids, some couples always support each other and some couples always challenge each other. But is one really better than the other?” Pause. “Yes. Support is better, way better.” – Season 6, Episode 23. Und ja, ich bin ein Serienjunkie.)

München ist ca. auf dem Platz 5 in meiner Rangliste der Lieblingsstädte Deutschlands. (Berlin-Hamburg-Düsseldorf-Köln-München). So übel ist München gar nicht, nur nicht so toll wie Berlin – für mich.

Sie nahmen mich aber sehr ernst und wir diskutierten über das Warum. Ich kann natürlich meine Liebe für Berlin nicht verbergen, weil ich mich hier, zum ersten Mal nach 13 Jahren in Deutschland, zu Hause fühle. Hier ist auch die einzige Stadt, in der ich mich deutsch gefühlt habe. Und ja, 5 Jahre nach meiner Einbürgerung hatte ich mich immer noch nicht deutsch gefühlt, als ich noch in anderen Städten gelebt habe und glaube es mir, ich habe überall in Deutschland gelebt.

Jedoch Berlin hat es geschafft, ohne, dass die Leute sich richtig bemühen mussten, fühlte ich mich sofort als Teil der Gesellschaft, als ich 2013 hierher zog. Ich erklärte ihnen, dass ich mich in München nicht als Teil der Gesellschaft gefühlt habe, dass ich satt hatte, ständig gefragt zu werden, woher ich wirklich herkomme und ob ich wieder zurück nach China will. Besonders, weil ich auch ja nicht einmal in Deutschland geboren bin.

Die Frau aus Dänemark warf plötzlich den Satz in den Raum: „Aber in München kannst Du Deine Identität ganz ausleben, nicht wahr? Alle Ausländern können ihre Identität in München besser ausleben. Du bist halt Chinesin und lebest chinesisch!“

Da war ich etwas sprachlos. Nun, nach 3 Jahren in Berlin, nachdem ich mich selbst so schön überzeugt habe, dass ich deutsch chinesisch bin, dass ich mich deutsch chinesisch fühle. Und offen zugegeben, ich fühle mich manchmal mehr deutsch als chinesisch. Dann kommt jemand aus Dänemark und sagt: Was ist das Problem, dass Du chinesisch bist?

Und noch offener zugegeben: Ich habe gar kein Problem damit, dass ich chinesisch bin. Als ich 2002 nach Deutschland kam und die vielen Vorurteile über China begegnete, habe ich mich auch gefragt: Wäre ich lieber in einem anderen Land geboren? Ein unscheinbares, „normales“ Land? Ein Land, über das die ganze Welt nicht so negativ lästert? Nein! Ich bin gern chinesisch. Es hat viele Vorteile, wenn man chinesisch ist.

Als erstes fällt mir ein, was Dominik mir mal gesagt hatte. Als wir zusammen in den USA waren, hat mir Dominik gesagt: Es ist wirklich was schönes, dass man überall eine kleine Community findet. Ob New York, San Francisco, Madrid oder Rom. Und in Berlin fühlen wir uns auch oft wie in China, wenn wir ein paar Lieblingsrestaurants besuchen. Das ist nur ein kleiner Vorteil von den ganz vielen. Es ist schön, chinesisch zu sein. Einer der Gründe, warum ich diesen Blog betreibe. (Bei „Alles über China“ kannst Du mehr Artikel über China lesen.)

Aber das bedeutet nicht, dass ich ausschließlich chinesisch bin und bleibe. Ich will eine komplexe Identität, die Raum hat, weiter zu wachsen und interessanter zu werden. Und das ist es, was mich stört. Wenn man mir ständig, fast täglich den Stempel „chinesisch“ ins Gesicht reibt, sagt man mir gleichzeitig, dass alles, was ich nach meinem 20. Lebensjahr erlebe, bedeutungslos wäre. Denn all das würde mir keine weitere Identität mehr verleihen. Ein Mensch hat nur eine Identität und Eigenschaft, diese entscheiden seine Eltern, wo diese herkommen. Und sie bleibt die Gleiche, bis man stirbt. Ganz gleich wo der Mensch in seinem ganzen Leben sonst noch gelebt hätte, bleibt die eine Identität bombensicher unverändert.

Ich will dazu nein sagen.

Für mich ist meine Identität so vielfältig, dass ich mich manchmal auch einfach europäisch fühle, auch wenn viele sagen, dass die Europäer gar keine gemeinsame Identität tragen. Ich freue mich jedesmal, wenn ich in Europa lande. Egal, aus welcher Ecke der Welt ich gerade komme: Ob Tokio oder New York, San Francisco oder Sandiago de Chile. Ich habe meine Reisespuren überall hinterlassen, aber jedes Mal, wenn ich auf einer Zwischenstation in Europa bin, ganz gleich ob Rom oder Paris, Amsterdam oder Barcelona, fühle ich mich schon zu Hause: Da, wo ich nur meinen Ausweis brauche, da, wo es keine Grenzkontrolle gibt. (Was hoffentlich bleibt!) Da bin ich schon zu Hause. Berlin? Frankfurt? München? Das sind nur die ein paar Stunden, die man noch braucht. Aber zu Hause bin ich schon vorher.

Dennoch bin ich auch nicht ausschließlich deutsch. Das ist das Schöne daran: Man muss sich ja nicht für eine Identität entscheiden. Ich weiß nicht, ob jemand mit mir diese Erfahrung teilt, wenn Du schon häufig in einem Land gewesen bist und das gut kennst, bist Du automatisch mit diesem Land verbunden. Die U.S.A sind ein solches Land für mich. Daher fühle ich mich auch wie eine Weltbürgerin.

Warum deutsch chinesisch? Was ist falsch an chinesisch deutsch?

Dominik und ich diskutieren gern über dieses Thema. Ich kenne das von den sogenannten “American Chinese”. Die Amerikaner bestehen darauf, dass man sie „Chinese American“ nennen, eben wie die Logik von „Asian American“. Das kann ich absolut nachvollziehen.

Dominik teilt eine ähnliche Meinung mit mir. Er ist der Meinung, dass die sogenannten „Deutschtürken“ „Türkisch-Deutsche“ heißen müssten. Da sie auch in der Tat deutsch sind, und nicht türkisch. Und er ist der Meinung, dass ich chinesisch deutsch bin, und nicht deutsch chinesisch.

Bei den türkischen Deutsch bin ich ganz seiner Meinung. Es gibt keinen Grund, dass sie mehr türkisch wären als deutsch. Für mich ist deutsch meine zweite Identität, die mein Leben stark geprägt hat. Noch ist die Zeit kürzer, die ich in Deutschland verbracht habe, als in China. Daher bleibe ich auch bei deutsch chinesisch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert